Haydn, Mozart und ein Ersatzdirigent. Neuerlich muss Generalmusikdirektor Michael Hofstetter passen. Orchester und Solisten lassen beim Sinfoniekonzert im Stadttheater dennoch nichts anbrennen.
Einen »Haydn-Spaß« verspricht Gast-Musikdramaturg Matthias Kauffmann gewohnt eloquent in seiner Konzerteinführung. Es geht um die klassische Unterhaltungsmusik eines Joseph Haydn und eines Wolfgang Amadeus Mozart. Sie liegt dem Philharmonischen Orchester Gießen in Zeiten ungehobelter Dissonanzen mit ihrer Harmonie am Herzen. Zumal die Akustik im Großen Haus des Stadttheaters für den mittelgroßen Klangapparat, den die Epoche verlangt, wie gemacht ist.
Das zeigt bereits der Auftakt, Haydns 6. Sinfonie »Der Morgen«. Sie macht am Abend Laune. Haydn schrieb das Werk 1761, mit 29 Jahren, als er zum Hofkapellmeister des Fürsten Esterházy avancierte und zunächst die befreiende, im Laufe der kommenden drei Jahrzehnte aber durchaus etwas muffige Luft des Neusiedler Sees schnupperte.
In der Luft liegt beim Sinfoniekonzert am Dienstag auch ein wenig Ungemach. Generalmusikdirektor Michael Hofstetter muss in dieser Spielzeit zum zweiten Mal passen. Am Pult steht Rubén Dubrovsky. Der in Buenos Aires geborene Dirigent sprang bereits Ende August des vergangenen Jahres als veritabler Ersatzmann für den damals erkrankten Hofstetter ein, der gleichwohl das Programm für den Abend zusammengestellt hat.
Formal wird die Geburtsstunde der Gattung Sinfonie zum Thema. Haydns »Morgen« umfasst statt der gewohnten drei nun vier Sätze, lässt die Stimmführer in anspruchsvollen Soli brillieren und versprüht neben seinem in Töne gekleideten Sonnenaufgang zu Beginn allenthalben gute Laune. Querflötistin Carol Brown, Cellist Attila Hündöl und 1. Konzertmeister Jirí Burián unterstreichen gemeinsam mit den Kollegen ihre Güte.
Der Abend verspricht weitere Solisten. Allen voran die renommierte Geigerin Maria Bader-Kubizek. Sie bezirzt auf ihrem Instrument mit feiner Ansprache und kontert mit virtuosen Läufen. Zudem sind Rachel Frost (Oboe), Katherine Mandl (Fagott) und Rudolf Leopold (Violoncello) als Meister ihres Fachs zu hören. Das Quartett schart sich bei der Sinfonia Concertante B-Dur op. 84 von Haydn, ein Mitbringsel aus dem Jahr 1791 von seiner ersten London-Reise, im engen Halbkreis um den Dirigenten. Bis auf Leopold, der das Cello in den schnellen Passagen hin und wieder zu sehr drängt, bilden die Solisten mit ihren komplexen Partien einen Garant für den Erfolg.
Nach der Pause Mozart. Seine Serenade Nr. 4 D-Dur, 1774 für die Salzburger Universität komponiert, zeigt den damals 18-Jährigen als jugendliches Genie, das mit seinen kompositorischen Mitteln allerdings nie, wie etwa Beethoven, der Zeit voraus war, sondern mit enormer emotionaler Bandbreite bis heute verblüfft. Das Stück hat sich als »Colloredo-Serenade« einen Namen gemacht. Fürsterzbischof Hieronymus von Colloredo gilt als Mozarts ungeliebter Salzburger Mäzen. Doch von Unbill ist dem Werk nichts anzumerken. Mozart setzt auf eine lyrische Solo-Violine, einfühlsam von Bader-Kubizek zelebriert, die sich mit sprühendem Orchester-Tutti vermischt.
Dubrovsky gibt am Pult die Einsätze mal elegant, mal mit Nachdruck, auch um zu verdeutlichen, wie gut er sich auf die Schnelle für das Konzert vorbereitet hat. Das Orchester spielt unter seinem Dirigat befreit auf, die Streicher und Holzbläser dominieren das in der Höhe fragile Natur-Blech. Die Musiker balancieren beherzt über sämtliche rhythmische Wendungen und schinden damit im Prestissimo-Finale der Mozart-Serenade Eindruck. Nicht enden wollender Applaus vom bis unters Dach dicht besetzten Haus.
Manfred Merz, 16.01.2019, Gießener Allgemeine Zeitung