»Hurra, hurra, der Pumuckl ist da.« Der kleine rothaarige Kobold treibt im Stadttheater seine Späße. Das neue Musical trägt seinen Namen und zeigt drei bekannte Geschichten in einem Stück.
»Das reimt sich und was sich reimt, ist gut.« Pumuckl hat als Literat ein eigenes Format. Das sieht jeder auf den ersten Blick. Dumm nur, dass von den Personen auf der Bühne niemand den quirligen Rotschopf sehen kann – bis auf Meister Eder. Aber auch für ihn ist der kleine Kobold nur sichtbar, wenn er mit ihm allein ist. Dann benutzt Pumuckl-Darsteller Tom Schimon eine Handpuppe, um als doppelter Quälgeist die Bühne unsicher zu machen.
»Pumuckl – das Musical« von Franz Wittenbrink (Musik) und Anne X. Weber (Text) nach den Büchern von Ellis Kaut und der unvergessenen Serie in der ARD (von 1979 bis 1988) zieht im Stadttheater alle Register einer munteren Unterhaltung für die ganze Familie. Bei der Premiere am Samstagabend im Großen Haus gab es begeisterten Applaus und zahlreiche Bravorufe.
Angelehnt an die drei bekannten TV-Episoden »Spuk in der Werkstatt«, »Das Schlossgespenst« und »Der große Krach« inszeniert Musical-Darsteller Oliver Pauli seinen kindlichen »Pumuckl« als zeitlose Geschichte. Er hat damit in seiner erst dritten Regie-Arbeit alles richtig gemacht. Das Erzähltempo stimmt, die Personenführung setzt auf Aktion, ohne in Hektik zu geraten, die vorhersehbare (weil altbekannte) Handlung wird mit koboldgerechten Effekten wie etwa den zweidimensionalen Requisiten (Bierkrüge, Schlosssäulen, Regenschirme) aufgepeppt – das hat Charme und Pfiff. Überhaupt sind das Bühnenbild von Monika Gora und die Kostüme von Thomas Döll eine Wucht. Sie führen, aufs Wesentliche reduziert, aber mit Liebe zum Detail, in Eders (dreidimensionale) Schreinerwerkstatt mit Hobelbank und Sägespänen, in den Biergarten, ins Schloss und nach der Pause in die Wohnung von Schlosser Schmitt. Die choreografischen Feinheiten hat Anthony Taylor mit den Darstellern erarbeitet.
Schreinermeister Eder, in dessen Münchener Werkstatt der anarchische Pumuckl, ein Nachfahre der Klabautermänner, gestrandet ist, verbinden viele mit Gustl Bayrhammer, der in der TV-Serie die menschliche Hauptrolle spielte, während Pumuckl als Zeichentrickfigur ins Bild gesetzt wurde. Tomi Wendt ist im Musical als Eder in seinem Element. Obwohl weit vom Seniorenalter der Figur entfernt, bietet der beliebte Bariton eine glanzvolle Vorstellung. Sein Meister Eder verfügt über bajuwarisches Grantelvermögen erster Güte, das dem gelernten Münchener Wendt (»Ich war noch nicht getauft, da zog meine Familie nach Bayern«) in die Wiege gelegt wurde. Dazu sind sein schauspielerisches Talent und seine Sangeskunst eine Klasse für sich.
Das trifft auch auf Pumuckl-Darsteller Schimon zu. Er vollbringt am Abend zudem eine sportliche Höchstleistung, wenn er mit der großen Handpuppe auf einem mit Rollen unterlegten Stuhl umherflitzt, um naiv und dynamisch seinen Schabernack zu treiben. Neu ist im Gegensatz zur TV-Serie, dass Pumuckl nicht nur spricht und reimt, sondern auch singt. Schimon nennt die Stimmlage Kobold-Tenor und meint damit die Counterhöhen, also die Mezzosopranlage, in die er sich hinaufschwingen muss. Das passt gut zur großen Klappe des Pumuckl. Und zu seinen Liedtexten: »Wasser ist mir viel zu feucht, wenn man darin unterteucht. Nein, ich liebe meine Dreckschicht, die kein Mensch mit Seife wegkricht.«
Das Ensemble macht die Show erst rund. Fast alle sind in Doppelrollen zu sehen. Mezzosopranistin Michaela Christl ist als Frau Steinhauser top und als Gräfin unterfordert. Chul-Ho Jang gibt einen kampfsporttauglichen asiatischen Butler Jakob, während der Chauffeur von Bariton Marcus Licher die »Rocky Horror Show« durchschimmern lässt. Johanna Malecki hat Durchschlagskraft. Michaela Wehrum arbeitet in ihren beiden Partien den Kontrast spielfreudig heraus. Maja Gandenberger zeigt eine strebsame Hanna, Sonja Herrmann eine energische Lehrerin und Markus Rührer einen kantigen Schlosser. Der Kinder- und Jugendchor des Stadttheaters ist mit Spaß bei der Sache.
Die musikalische Leitung des Abends hat Andreas Kowalewitz übernommen. Sein Lob gilt dem Komponisten: »Bayerischer Walzer trifft auf spanischen Fandango – wer Franz Wittenbrink nicht für hintergründig hält, wird ihm nicht gerecht.« Schon bei der Uraufführung im April in München stand Kowalewitz am Pult. Das um doppeltes Schlagwerk, E-Gitarre und Saxofon verstärkte Philharmonische Orchester Gießen spielt unter seinem Dirigat mit großem Einfühlungsvermögen, egal ob es sich um augenzwinkernden Tango, Swing, Rock oder ein paar Takte Blasmusik handelt. Die Vielseitigkeit der Stile zeichnet das Musical aus, wird aber auch zu seinem Dilemma: 25 solide Gesangsnummern hält die transparente Partitur bereit – ein Ohrwurm ist nicht dabei.
Hier spukt's doch
1962 schuf Ellis Kaut ihren legendären Pumuckl. Höchste Zeit also für den Wirbelwind, nun musikalisch die Bühnenbretter zu stürmen. Drei traditionelle Geschichten haben beim Musical Pate gestanden: die Episoden »Spuk in der Werkstatt« (die erste Folge der TV-Serie), »Das Schlossgespenst« und »Der große Krach« entführen in die Welt des kecken Kobolds. Das Musical ist für die ganze Familie konzipiert und für Kinder ab zehn Jahren geeignet. Weitere Aufführungen in diesem Jahr sind am 11. November sowie am 2. und 8. Dezember (jeweils um 19.30 Uhr) sowie am 30. und 31. Dezember um 18 Uhr.
Manfred Merz, 05.11.2018, Gießener Allgemeine Zeitung