Jugendclub Tanz feiert überzeugende Premiere mit dreiteiligem Stück auf der taT-Studiobühne
Heiter und verspielt, dramatisch und düster, witzig und poetisch – dem Jugendclub Tanz stehen eine Menge Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung. Das stellt das Ensemble jetzt mit seinem neuen Stück „Traumgeflechte“ einmal mehr unter Beweis. Am Donnerstagabend feierte die mittlerweile 15. Produktion der beim Stadttheater Gießen angesiedelten Gruppe junger Talente im Alter zwischen 14 und 20 Jahren Premiere auf der taT-Studiobühne.
19 Jugendliche
„Traumgeflechte“ heißt das facettenreiche Stück, das Choreographin Terry Pedersen Pfeiffer gemeinsam mit den insgesamt 19 Jugendlichen in diesem Jahr für die Bühne erarbeitet hat. Ein Titel, der zu den unterschiedlichsten Assoziationen einlädt. Und so bietet dieser in drei Teile gegliederte Abend in etwa 70 Minuten Spielzeit auch ganz unterschiedliche Tonlagen und Szenenfolgen. Zunächst kommt vor schwarzem Hintergrund eine einzelne Hand hervor, dann eine weitere, schließlich ein halbes Dutzend hinter und unter einer weißen Leinwand, bevor nach und nach die 17 Tänzerinnen und zwei Tänzer auf die Bühne treten und fortan mit Witz und Ideenreichtum zurückblicken auf die 15-jährige Geschichte des Ensembles.
Zu den Klängen von Maurice Ravels „Bolero“ reihen sie zunächst zahlreiche choreographische Zitate früherer Produktionen aneinander. Da wird ein mit weit aufgerissenem Maul schnappendes Krokodil mit einem Schwert erlegt, da träumt sich ein naiv dreinschauender Hase durch die Szenerie, da kämpft sich ein wildgewordener Kerl mit einer aus Klopapierrollen bestehenden Lockenperücke durch die Menge. Und immer wieder formen sich die Körper zu harmonisch fließenden Bildern und Figuren. All das angetrieben von der ihren dramatischen Höhepunkt immer weiter verzögernden Musik Ravels, die sich perfekt für eine solche getanzte Bilderfolge eignet.
Heitere Leichtigkeit bietet auch der zweite Teil dieser „Traumgeflechte“, der von einem Gedicht des französischen Dichters Stéphane Mallarmé (1842 – 1898) inspiriert ist. Zu dessen aus dem Off von Schauspieler Harald Pfeiffer gesprochenen Versen wird der „Nachmittag eines Fauns“ bebildert – so der Titel des Poems. In einem Tagtraum begegnet diese Figur einigen ätherischen, mit bunten Tüchern ausstaffierten Wesen, die in ihrem Tanz an das berühmte Gemälde von Henri Matisse erinnern. Das halbe Dutzend Tänzerinnen umschwirrt, umkreist und becirct das männliche Fabelwesen, bis dieser Faun mit der Gruppe verschmilzt – bevor er schließlich aus seinem Tagtraum erwacht.
Am stärksten überzeugt dann das dritte und letzte Kapitel des Abends. Zu dissonanten, bisweilen dramatisch anschwellenden Orchesterklängen zeigt das Ensemble eine Art Alptraum, in der sich der Einzelne mit einer aggressiven Gruppe auseinandersetzen muss. In intensiven Ensembleszenen prallen die Körper zweier Gruppen zusammen, verknäulen sich miteinander, bis sich eine Art Anführer herauskristallisiert, der die Masse mit herrischen Gesten und funkelndem Blick gegen verschreckte Außenseiter in Stellung bringt.
Dramatisches Finale
Vor allem in diesen Momenten zeigt das junge, nun in erdfarbene Kleider gehüllte Ensemble, was in ihm steckt. Es bewältigt komplexe Schrittfolgen, kreiert immer wieder starke Bilder und bietet auch Raum für Solopartien. So mündet das Stück schließlich mit einem dramatischen Finale in nachtschwarzer Düsternis, bevor die Saalscheinwerfer wieder angehen und ein Ensemble beseelter junger Tänzer zum Vorschein bringen. Für ihre Leistung erhalten sie und ihre Choreographien viel verdienten Applaus.
Björn Gauges, 26.01.2019, Gießener Anzeiger