Liebevoll inszeniertes Stück „Wolli und das Knäuel“ für Kinder ab drei Jahren auf der taT-studiobühne
Ein Schaf im Theater: Das gibt es doch nicht? Oder doch? Diese Frage steht am Anfang der neuen Schauspielproduktion „Wolli und das Knäuel“, die am Freitagmorgen ihre Premiere auf der taT-Studiobühne feierte. Aus diesem Beginn entspinnt sich eine liebevolle, magische Geschichte rund um Wolle, Magie und Freundschaft, konzipiert für die jüngsten Theatergänger ab drei Jahren.
Das Mädchen Melli (Paula Schrötter) hat gehört, dass ein Schaf irgendwo im Theater sei. Daher begibt sie sich auf die Suche, unterstützt von den Theaterbesuchern, die sie schon in Foyer des taT erwarteten. Geschickt bindet sie die kleinen Zuschauer in die Geschichte ein und führt sie in den Bühnenraum. Dort zu sehen ist ihre Wirkungsstätte: Imposante Wollknäuel, die teilweise bald ein Eigenleben entwickeln. Statt eines Schafs findet Melli zunächst allerdings etwa ganz anderes – eine in ein großes Wollknäuel verhedderte Fee. Und die gewährt dem Mädchen drei Wünsche. Der erste ist eine Flöte, leider kann Melli dem Instrument aber keine Musik entlocken. Daher wird sogleich der zweite Wunsch fällig: das Erlernen des Flötenspiels. Und siehe da: Auf einmal lässt sich auch das Schaf blicken, das allerdings so geschoren wurde, dass es friert. Nach etwas Zaudern opfert Melli dafür ihren dritten Wunsch – und das Schaf bekommt den wärmsten Pullover der Welt.
Das liebevoll gestaltete Stück entstand nach einer Idee von Roman Kurtz, Mitglied des Gießener Schauspielensembles, der es auch selbst inszeniert. Seine Idee wurde vom Team gemeinsam weiterentwickelt. Dabei wird bewusst mit einfachen Elementen gearbeitet. Und die Kinder werden in die Handlung einbezogen, wenn sie etwa aufgereiht wie Perlen an einer Schur – hintereinander zur Bühne gehen, den berühmten roten Faden der Geschichte real in den Händen haltend. Das Stück endet nicht mit dem neuen Pullover für das Schaf, das Tier bekommt auch seinen Namen: Wolli. Insgesamt ist es eine runde Inszenierung: Der Kreis schließt sich: So wie die Kinder zur Bühne ins Untergeschoss gehen, so kommen sie wieder zurück ins ebenerdige Foyer: aneinandergereiht und durch einen roten Wollfaden verbunden. Und natürlich findet man im Programmheft auch die passende Wolle.
Unterschiedliche Genres
Spielerisch werden den Kindern unterschiedliche Theatergenres vorgeführt: Das Schauspiel, verkörpert von Paula Schrötter, die perfekt in die Rolle der Melli passt; das Tanztheater, denn die grazile Fee „Feli“ wird verkörpert von der ausdruckstarken Tänzerin Katharina Wiedenhöfer. Sie bringt das magische Element ins Spiel, hebt das bis dahin noch in der realen Welt angesiedelte Geschehen auf eine andere Ebene und bereitet den Auftritt des Schafs in Puppengestalt vor. Das Schaf wurde von Puppenspieler Ahmad Nasir Formuli selbst anfertigt. Formuli gelingt es, dem Tier einen eigenen Charakter zu verleihen. Durch die Schafspuppe werden Elemente des Kasperltheaters in Szene gesetzt: Alle sehen Wolli, nur die beiden Protagonisten auf der Bühne nicht. Entsprechend klar sind die Anweisungen aus dem Publikum. Den wachen Kinderaugen entgeht nichts: So wird auch die Frage laut in den Raum geworfen: „Was macht der schwarze Mann da auf der Bühne?“ Er gehört zum Schaf, das nach alter Puppenspielermanier von ihm geführt wird – ohne große technische Tricks. Den Kindern und den erwachsenen Kindern bereitet das eine Menge Spaß. Solange es solche Stücke und Inszenierungen gibt, wird es auch ein Publikum dafür geben.
Barbara Czernek, 08.09.2018, Gießener Anzeiger