Examenskonzert im Stadttheater: Drei junge Solisten stellen sich Prüfungskommission – und zeigen reife Leistungen
Die Konzerte des Philharmonischen Orchesters in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt sind eine erstklassige Einrichtung. Sie sind immer abwechslungsreich und anspruchsvoll, denn sie präsentieren die Höchstleistungen junger Künstlerinnen und Künstler der verschiedensten Fächer als Höhepunkt und Abschluss von deren Ausbildung an der Musikhochschule.
Drei Solisten stellten am Montagabend ihre musikalische Gestaltungskraft eindrucksvoll unter Beweis, nämlich die Mezzosopranistin Martha Jordan sowie Diana Sahakyan und Sven Bauer auf dem Flügel. Die Leitung des Orchesters hatte Kapellmeister Martin Spahn. Alle zeigten künstlerisch reife Leistungen – wenn man das ganze Konzert kompetitiv begreifen würde (aber so ist es nicht gedacht; der Druck durch die anwesende Prüfungskommission dürfte groß genug gewesen sein), hätte wohl Bauer den Lorbeerkranz davongetragen. Sein Spiel war preisverdächtig.
Auftakt mit Beethoven
Den Auftakt machte Ludwig van Beethovens häufig aufgeführtes drittes Klavierkonzert, das damit natürlich fast automatisch den Vergleich mit wichtigen Referenzaufnahmen vor dem inneren Ohr aufruft. Aber die aus Armenien stammende Diana Sahakyan konnte ihre eigene Vorstellung umsetzen. Trotz oder vielleicht gerade wegen des tendenziell düsteren Charakters des Stückes wählte sie einen Zugriff von entschlossener Klarheit. Der erste Aufgang, von großer Härte, abgefedert durch einen wunderbar weichen Nachsatz, stellte den Grundcharakter der Interpretation unmissverständlich vor.
Insgesamt wählte Sahakyan im Kopfsatz einen eher offenen Ton, teils unbekümmert, die Tempi konsequent und mit wenig Rubato, und auch die Kadenz wirkte recht geradlinig. Nackte Einsamkeit modellierte sie mit dem verhaltenen Beginn des langsamen Satzes, und hier zeigte sie auch die dunklen und gedeckten Farben des Instruments, bevor sie mit fein gestalteten Registerwechseln, rasch, aber ohne Eile, den dritten Satz zum Leuchten brachte.
Mit dem Liederzyklus „Les nuits d’étés“ von Hector Berlioz wählte Martha Jordan die ganz große Herausforderung der kleinen Form im großen Gewand. Einerseits brauchen diese Lieder auf Texte von Théophile Gautier einen Gesang einfacher, gleichsam naiver Anmut; diese bricht aber immer wieder um in den Tonfall des Aufbegehrens, der dramatischen Exklamation und der großen Sehnsucht, wie er in der Oper zu Hause ist. Hinzu kommt erschwerend die stellenweise sehr tiefe Lage der Stimme. Jordans schönes und zugleich spannungsreiches Timbre vermochte diese Wechsel mit Leben zu füllen – man kann sich vielleicht aber vorstellen, dass die Stimme in Zukunft an Breite und Kraft noch etwas gewinnt. Gestalterisch war schon alles am richtigen Platz: das Monodramatische etwa in „Le spectre de la rose“, strahlende Öffnung im Lamento, fahle Farbe in „Claire de lune“.
Man kann es nicht leugnen: Brahms’ erstes Klavierkonzert hat den tiefsten Eindruck hinterlassen. Das mag ein bisschen am Stück liegen, aber dem Solisten gebührt hier doch das Verdienst, einfach eine astreine, musikalisch runde und vom ersten Ton an packende Interpretation geliefert zu haben. Und auch das Orchester ließ sich nach kurzer Zeit anstecken und mitziehen. Das ist ungeheuer wichtig für ein Konzert, in dem Solist und Orchester so eng interagieren und gemeinsam sinfonisch musizieren – bei aller Virtuosität, deren exorbitante Schwierigkeit in Bauers Spiel wie weggezaubert wirkte.
Eindruck mit Brahms
Gerade den langsamen Satz gestaltete er als Arbeit – an jedem einzelnen Ton, an jeder Artikulation, an jeder einzelnen Phrase. Aber das ist dann keine Plage und Mühe, nicht Fron wird da geleistet. Sich hörend darauf einzulassen, wurde mit purster Freude belohnt, mit Freude über die Plastizität und Prägnanz der Musik. Auch der äußerst anspruchsvolle dritte Satz geriet Bauer dann mit einer Leichtigkeit, die einem schier den Atem stocken ließ. Es spricht einiges dafür, dass wir seinem Spiel in Zukunft in manch größerem Konzertsaal irgendwo auf der Welt begegnen werden.
Karsten Mackensen, 24.01.2019, Gießener Anzeiger