Dramatisierung von „Kurze Interviews mit fiesen Männern“ auf der taT-Studiobühne über weite Strecken misslungen
Zum zehnten Mal hat sich im September der Todestag von David Foster Wallace und damit eines der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller gejährt. Mit der Inszenierung „Kurze Interviews mit fiesen Männern“ wendet sich das Stadttheater nun dem Werk des US-Amerikaners zu. Am Donnerstag hatte das Stück im taT Premiere.
Rund 90 Minuten dauert der Theaterabend von Regisseur Christian Lugerth, der sich bemüht, den 1999 im Original erschienenen gleichnamigen Erzählband zu dramatisieren. Im Ergebnis sieht das so aus: Über weite Strecken des Abends sitzen die drei Schauspieler Sebastian Songin, Harald Schneider und David Moorbach auf drei Podesten. Im Hintergrund hat Bühnenbildner Lukas Noll eine Art Krankenhausoptik geschaffen, durch die Wilfried Weyl als stummer Pfleger tourt. Sprache steht im Zentrum: Die drei Hauptfiguren rezitieren im Wesentlichen den Text von David Foster Wallace, was den Abend sehr statisch macht. Gelegentlich kommt Bewegung in die Sache, wenn der Pfleger einem der Protagonisten am Ende einer Rezitation ein Beruhigungsmittel verabreicht oder jemand mal eben unmotiviert Tennisbälle an eine Wand drischt. Die Schauspieler machen allesamt einen guten Job. Sie sprechen gekonnt, wobei vor allem Schneider etwa in der Mitte des Abends bei der Erzählung eines Vaters über seinen Sohn seine ganze Klasse aufblitzen lässt.
Gute Schauspielleistung
Doch auch die guten Leistungen der Schauspieler können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Inszenierung über weite Strecken misslungen ist. Zunächst wird wieder einmal deutlich, dass die Dramatisierung von Erzähltexten wie eben Kurzgeschichten wenig sinnvoll ist. Eine Ausnahme entsteht, wenn ein Text durch die Dramatisierung vielleicht zusätzliche Tiefe gewinnt. Aber Inszenierungen wie jene im taT, bei der Schauspieler die meiste Zeit im Sitzen Texte aufsagen, ergeben eben keinen Sinn, weil der Gattungswechsel überhaupt keinen künstlerischen Gewinn bringt.
Damit ist eine große Schwäche der Inszenierung angesprochen, die eher wie eine Lesung wirkt. Daran ändert auch die durch den Pfleger bewegte Krankenhausatmosphäre nichts, die ohnehin mit der Vorlage von Wallace so gar nichts zu tun hat. Schlimmer noch: Durch die Verortung des Textes in einer Klinik werden die Geschichten des Schriftstellers verarmt, verfremdet und ihrer Tiefe beraubt.
Die Texte des Amerikaners, dessen Hauptwerk „Unendlicher Spaß“ 1996 im Original erschienen ist, sind im Wesentlichen der Strömung der sogenannten Neuen Ernsthaftigkeit zuzuordnen. Wesentlicher Impuls dieser Strömung ist eine massive Hinwendung zur Realität, auch von Zwischenmenschlichkeit. Bei David Foster Wallace kommt dieser Ansatz als überzeugter Humanismus daher: Er vertritt eine Philosophie, nach der nur derjenige wirklich frei ist, der sich seinen Mitmenschen mit voller Aufmerksamkeit zuwendet. Egoismus und übermäßige Selbstbezogenheit sind nach dieser Philosophie sowohl Barrieren gegenüber dem anderen als auch subjektives gedankliches Gefängnis, das von der Teilnahme am wahren Leben abhält.
Mit den Figuren in Texten wie den Erzählungen des Bandes „Kurze Interviews mit fiesen Männern“ macht Wallace seinen Lesern diese Philosophie zugänglich. Das Egoistische und nach dieser Philosophie Lebensfeindliche wird dem Leser an den fiesen Männern in aller Konsequenz gespiegelt. Dahinter verbirgt sich literarisches Engagement von fast Sartreschem Ausmaß. Denn indem der Amerikaner die Fiesheiten aus dem Lebenskontext seiner Leser nimmt, wird eine Art kathartischer Identifikation möglich, die dem Rezipienten die Reflexion von Selbstbezogenheit und ihrer Folgen möglich macht.
Doch genau diese Philosophie, die für ihre volle Entfaltung eben den unmittelbaren Bezug zur zwischenmenschlichen Allerweltsrealität der Rezipienten braucht, eliminiert das Team um Lugerth völlig. Die Verortung in einem Klinikkontext verbaut den unmittelbaren Bezug zur Lebenswelt der meisten Zuschauer und schafft damit genau die zwischenmenschliche Distanz, gegen die Wallace eigentlich anschreibt. Pointiert gesagt: Auf der Studiobühne wird das Werk praktisch völlig entkernt und aufs Kauzige und Anekdotische reduziert. Wer sich wirklich mit den genialen Erzählungen dieses engagierten Autors befassen will, der greift besser zum Erzählband.
Stephan Scholz, 03.11.2018, Gießener Anzeiger