Blutiger Zahn in der Suppe - "Der goldene Drache" löst Betroffenheit unter Theaterzuschauern aus - Wetzlarer Neue Zeitung

13.01.2015

"Der goldene Drache" ist nicht nur Theaterstück, sondern auch der Name von zahlreichen Thai- und Chinarestaurants im deutschsprachigen Raum. Nach einem Besuch des gleichnamigen Stückes am Stadttheater Gießen werden die Gäste wohl erst einmal vorsichtig sein beim Genuss von asiatischen Spezialitäten.

Vor allem bei Suppe mit Hühnerfleisch, Kokosmilch, Thai-Ingwer, Tomaten, Champignons, Zitronengras und Zitrusblättern (scharf). Im Theaterstück liegt auf dem Boden des Suppentellers ein blutiger Zahn: der Schlüssel zum gesamten Drama von Roland Schimmelpfennig, das jetzt im Großen Haus des Stadttheaters Gießen erfolgreiche Premiere feierte.

Im Mittelpunkt steht das Schicksal illegaler Einwanderer ohne Rechte

Dank des großartigen Zusammenspiels der fünf Schauspieler und der Fantasie der Zuschauer steht bald der ganze Mikrokosmos eines Mehrfamilienhauses inklusive Asia-Restaurant mitten im Stadttheater Gießen. Am Ende: Betroffenheit bei den Zuschauern und großer Applaus für die Darsteller sowie für Regisseur Malte C. Lachmann und Udo Herbster (Bühne und Kostüme).

Insgesamt 43 kurze Szenen weist das Drama auf, lose aneinandergereiht und dennoch in engem Zusammenhang. Gleich zu Beginn stellen sich die Schauspieler vor: jeder übernimmt mehrere Rollen. Zum Beispiel spielt Pascal Thomas den Großvater, eine Asiatin sowie die Grille, während Anne-Elise Minetti den Mann mit dem gestreiften Hemd und einen Asiaten mit Zahnschmerzen spielt.

Weiterhin beteiligt sind Carolin Weber (die Enkeltochter, eine Asiatin, die Ameise, der Lebensmittelhändler), Lukas Goldbach (die Frau in dem roten Kleid, ein Asiat, die erste Flugbegleiterin), und Roman Kurtz (ein junger Mann, ein Asiat, eine Flugbegleiterin). Männer spielen Frauen, Junge spielen Alte und so fort. Der Gießener Musiker Marcel Rudert sorgt für den musikalischen Hintergrund.

Was passiert in dem Mikrokosmos? Fünf Chinesen arbeiten in der engen Küche des "Goldenen Drachen", alle illegale Einwanderer. Einer von ihnen hat einen kariösen Zahn, der Kollege holt ihn mit der Rohrzange heraus, der junge Chinese verblutet bald darauf.

Im Mittelpunkt steht das Schicksal der illegal eingewanderten Köche, ohne Rechte, ohne Krankenversicherung: die Chinesen als Beispiel Tausender von Migranten und Flüchtlingen.

Roland Schimmelpfennig verwebt die Handlungsstränge auf geschickte Art und Weise, viele witzige Situationen und Wortspiele eingeschlossen. Die Inszenierung von Malte C. Lachmann hebt die kompositorischen Kniffe hervor.

Ursula Hahn-Grimm, 12.01.2015, Wetzlarer Neue Zeitung