Einen mitreißenden, musikalisch energiereichen Auftritt absolvierte am Samstag "Der Lahn-Dylan-Kreis" auf der Bühne des ausverkauften taT. Christian Lugerths souveräne Synthese aus kundiger, erhellender Moderation und knackigem Blues bis Rock ging spürbar in jedes anwesende Bein. Heftig.
Cool in schlabbrige Anzüge mit losen Krawatten gekleidet, gingen Christian Lugerth (Gesang, Gitarre, perfekt sitzender Anzug, großartige rotschwarze Stiefeletten), Florian Neuber (Gitarre), Christian Keul (Keyboards), Volker Seidler (Schlagzeug, ansonsten Tonchef des Stadttheaters), Philipp Lampert (Bass) und als Gast Schauspieler Rainer Husted (Saxofon) kundig ans Werk. Nur das häufig eingeblendete rote Pufflicht hätte man getrost weglassen können.
Lugerth, ein ausgewiesener Dylankenner, präsentierte anlässlich des 75. Geburtstags des Musikers charakterisierende und nicht selten ironische, humorvolle Textausschnitte - die Autoren hatten sich zwar friedlich, doch mit einer gewissen heiteren Distanz zum Gegenstand und sich selbst geäußert. Das war immer wissenswert und unterhaltsam, in keiner Sekunde jedoch ehrerbietig.
Die Texte: Lugerth las Texte aus Klaus Theweleits Bob-Dylan-Lesebuch "How Does It Feel" (Andreas Langenbacher, Elke Heidenreich und Konrad Heitkamp) und aus Sam Shepards "Rolling Thunder Logbook". Und dann die Musik (darunter "Just Like A Woman", "Ring Them Bells", "Outlaw Blues"). Lugerth passt exzellent in das Quartett professioneller Musiker. Sein Gitarrenspiel ist korrekt, aber sein Gesang dafür wirklich bemerkenswert. Zum einen bringt er das dylansche Genäsel authentisch rüber, vermeidet dabei aber jeden Anschein mühsamen Kopierens. Vielmehr schafft er seinen ganz persönlichen, ausdrucksvollen Dylansound, dem man profunde Werkkenntnisse sofort anhört: Das knackt.
Die Band, vibrierend vor Spiellust, liefert auch in kleineren Besetzungen nur mit Klavier und Gitarre höchst kundige und werkgetreue Interpretationen, an deren Sensibilität wirklich nichts auszusetzen ist. Das ist einfach sehr gute Musik, und wenn man sich an Lugerths authentisches Genäsel (Dylan klingt ja einfach gräulich) erstmal gewöhnt hat, hat man immer mehr das Gefühl, man höre Dylan zu - oder vielmehr einer kompetenten Interpretation. Da stimmt dann alles. In den zahlreichen knackigen Rocktiteln (als Zugabe nochmal ein sauber gedröhntes "All Along The Watchtower") steigt die Körperspannung auf Höchstwerte, und bei den leiseren Titeln erkennt man umgehend, dass Christian Lugerth einer der wenigen Richtigen ist, um Dylansongs zu singen - zumal mit dieser prachtvollen Band. Der Saalsound war von erfreulicher Ausgeglichenheit. Am Ende: mordsmäßiger, lange anhaltender Applaus, reichlich Zugaben.
04.10.2016, Gießener Anzeiger