Ivan Krastev und Evgeni Ganev erfreuen beim Saisonauftakt im Stadttheater mit Violinsonaten von Brahms
An eine „friedliche Landschaft, wo wir mit einer Art Behagen ausruhen“ fühlte sich der berühmte Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick beim Anhören der drei Violinsonaten von Johannes Brahms erinnert. Sie kommen schwärmerisch daher, sind aber allesamt mehr oder weniger von leiser Melancholie durchzogen. Hier will die spezifische Brahms’sche Stimmung genau getroffen sein. Im ersten Kammerkonzert der Saison zeigte sich, dass die Werke bei Ivan Krastev (Violine) und Evgeni Ganev (Klavier) in den besten Händen sind. In ebenso inniger wie schwelgerischer Wiedergabe führten die beiden Musiker des Stadttheaters die Besucher am Sonntagvormittag im vollbesetzten Foyer durch die eingangs erwähnte „friedliche Landschaft“. Es war ein genussreiches Erlebnis, für das die Zuhörer nach anderthalb Stunden mit langanhaltendem Applaus dankten.
Vom ersten Augenblick an ließ der satte, warme Brahms-Ton die Herzen der Kammermusikfreunde aufgehen. Dabei stellen gerade die drei Violinsonaten, die bis heute als Spitzenwerke des Genres gelten, durch ihren Gehalt und den hohen technischen Schwierigkeitsgrad außerordentlich große Anforderungen an die Ausführenden. Mit spürbarer Hingabe und musikalischem Gestaltungsvermögen ließen die beiden Interpreten im engen, vertrauten Miteinander die Musik aufblühen – so im eindringlich vorgetragenen Adagio und im „Tränenfinale“ der 1. Sonate G-Dur op. 78, in dem die Geige die zarte Melodie des „Regenliedes“ hinhauchte. Ein Gefühl erhabener Ruhe schien sich auszubreiten.
Ohne harte Kontraste präsentierte sich die „in Erwartung der Ankunft einer geliebten Freundin“ komponierte Sonate Nr. 2 A-Dur op. 100. Hier waren zwei Musiker zu erleben, die die musikalischen Aussagen klar und überlegt ausbreiteten. Das sanft fließende Thema des ersten Satzes strahlte selige Wärme und Erhabenheit aus, und vom elegisch angehauchten Andante tranquillo des zweiten Satzes ging eine liebliche Stimmung aus.
Intensives Duett
Zum Abschluss dann die 3. Sonate d-Moll op. 108 mit einer zu Beginn weitausschwingenden Kantilene der Geige. Ein leidenschaftlicher Zug durchwehte das Adagio, bei dem beide Instrumente zu einem innigen Duett verschmolzen. Im Finalsatz mit seinen energischen, dramatischen Abschnitten und der Kontrastierung von lyrischen und aggressiven Themen waren Krastev und Ganev noch einmal enorm gefordert, doch sie bestanden die Herausforderung mit Bravour und boten eine insgesamt intensive Darbietung, wobei es der Pianist souverän verstand, dem äußerst schwierigen Klavierpart funkelnde Töne zu entlocken.
Thomas Schmitz-Albohn, 14.11.2017, Gießener Anzeiger