Liebevoll inszeniertes Märchenabenteuer "Gurkes Glück" auf der Bühne des Stadttheaters.
Immer wieder verblüffend, wenn der Zauber des Theaters seine Wirkung entfaltet - und auch die Jüngsten für sich einnimmt. Aktuelles Beispiel: das fantasievolle Bühnenmärchen "Gurkes Glück" im Gießener Stadttheater. Zunächst zeigen die mehreren hundert Grundschüler bei der Uraufführung im vollbesetzten Großen Haus, welch ohrenbetäubender Lärm sich erzeugen lässt, wenn alle durcheinanderquatschen, -rufen, -kreischen. Dann geht das Licht aus, ein Scheinwerfer an, die bizarre Bühnenwelt wird sichtbar - schon ist es still und sie lassen sich alle wie auf Knopfdruck in die Geschichte hineinziehen, die vom braven Titelhelden Gurke, seiner Einsamkeit, neuen Freunden und dem gewonnenen Mut zu schweren Entscheidungen handelt.
Für sein Familienstück (ab sechs Jahren) zur Weihnachtszeit hat sich das Stadttheater diesmal eine Vorlage der in München lebenden Kinderbuchautorin Carolin Jelden bedient. Die setzt bevorzugt auf Märchenstoffe und liefert auch mit "Gurkes Glück" eine Geschichte, die Regisseurin Jule Kracht und ihren doppelt besetzten Figuren viele Möglichkeiten bietet, um das kleine und große Publikum mit in ein buntes, geheimnisvolles und spannendes Theaterland mitzunehmen.
Doch so bunt ist die Sache zunächst noch nicht. Denn der kleine Titelheld Gurke (Wolfgang Erkwoh/Maximilian Schmidt) verdient sich sein karges Auskommen als Gehilfe des fiesen Lampenmeisters (Roman Kurtz/Tom Wild), der den Bewohnern eines dunklen Tals seine Glühwürmchenlampen verkauft. Sein Geschäft läuft gut, weil ein bedrohlich grollender Berg immer weiter in die Höhe wächst und damit den Menschen das Sonnenlicht raubt.
Gurke hingegen, dessen Name bereits für Hohn und Spott sorgt, hat es von Anfang an nicht leicht. Erst als er auf die vorwitzige Gewndolin (Lotta Hackbeil/Paula Schrötter) trifft, entwickelt er das nötige Selbstbewusstsein, um seiner Situation zu trotzen. Diese abenteuerliche Reise führt ihn aber nicht nur zu sich selbst, sondern auch in einen Zauberwald, in eine Stadt und auf einen Berg. Dabei trifft er auf skurrile Gestalten wie einen Kerzenkobold, eine Flatterfee, einen Steinmonk und schließlich auch den grollenden Berggeist (in weiteren Rollen: Ewa Rataj/Carolin Weber sowie Milan Pešl/Sebastian Songin). All das bot Kostümbildnerin Ursula Bergmann und Bühnenbildner Thomas Döll die Möglichkeit, sich nach Herzenslust auszutoben. Da klettert der freche grüne Kobold in luftiger Höhe über Baumgeäst, entstehen in Sekunden Häuser mit vielen Fenstern und Türen und plötzlich hängt die knallbunte Fee an einer Schaukel von der Decke. Viele Schauwerte gibt es zu bestaunen, hinzu kommt wohldosiert eingesetzte Musik von Till Rölle und schließlich - so muss das sein - bekommt auch der böse Lampenmeister sein Fett ab. Nach einer fesselnden knappen Stunde verlöschen die vielen kleinen Glühwürmchenlämpchen und das Saallicht geht an: Der folgende lautstarke Applaus dürfte dem Ensemble auch in den nächsten Aufführungen sicher sein.
Björn Gauges, 23.11.2017, Gießener Anzeiger