Potzblitz! Da regnet es doch tatsächlich weiße Mäuse auf die Bühne, und Lichblitze zucken aus den Kulissen. Doch keine Angst. Im Stadttheater wird nur so getan, als ob Walpurgisnacht sei. Denn schließlich ist dort als Familienstück zur Weihnachtszeit »Die kleine Hexe« von Otfried Preußler zu sehen.
Auch wenn man das bunte Hexentreiben in der Walpurgisnacht nicht sofort mit der eher besinnlichen Adventszeit in Verbindung bringen mag: Das Stadttheater zeigt in diesem Jahr als Familienstück zur Weihnachtszeit »Die kleine Hexe« von Otfried Preußler. Und weil der Kinderbuchklassiker einfach eine wunderschöne Geschichte ist, Lukas Noll ein wahrlich zauberhaftes Bühnenbild entworfen hat, und die Regie von Stephanie Kuhlmann ganz auf die Schilderung der guten Taten der kleinen Hexe abzielt, kommt das Stück beim jungen Publikum im Kindergarten- und Grundschulalter auch sehr gut an.
Anne-Elise Minetti und Marlene-Sophie Haagen spielen im Wechsel der zahllosen Schul- und Familienvorstellungen die kleine Hexe, die so viel Gutes tut. Rabe Abraxas, den alternierend Pascal Thomas und Lukas Goldbach verkörpern, steht ihr mit Tipps zur Seite. Denn schließlich muss die kleine Hexe dem Rat der Hexenschar beweisen, dass sie eine gute Vertreterin ihrer Zunft ist. Doch dass die alten Warzenträgerinnen und Besenreiterinnen darunter durchaus etwas ganz anderes als helfende Unterstützung für Menschen und Tiere in Not verstehen, wird der kleinen Hexe erst zu spät klar. Da ist sie, auch weil die Muhme Rumpumpel (Petra Soltau/Sebastian Songin) sie verpetzt hat, schon längst durch die Hexenprüfung gerasselt. Dass sie aus Rache dafür am Ende ihren Kolleginnen die Zauberkräfte und Zaubersprüche wegnimmt und deren Besen als Scheiterhaufen verbrennt, ist die einzig fiese Tat der sympathischen Hexe – macht sie aber für das eifrig mitfiebernde Publikum nur umso liebenswerter. Schließlich hat die Nachwuchshexe mit ihren magischen Kräften zuvor den bösen Revierförster zum netten Helferlein gemacht, dem Ochsen Korbinian auf dem Fest des Schützenvereins das Leben gerettet oder beim Krämer Pfefferkorn mit so viel Spaß eingekauft, dass der doch tatsächlich vor Schreck seine Hose verliert.
Lukas Noll hat als Hintergrund für all die kurzen Spielszenen, in denen die guten Taten der kleinen Hexe nacherzählt werden, eine märchenhaft anmutende Kulisse geschaffen. Dicke Baumstämme mit Wurzeln hängen von der Decke, der Hexenrat tagt auf überdimensionalen Zauberbüchern, das Hexenhäuschen kann an Seilen empor gezogen werden. Und die vielen Figuren, denen die kleine Hexe hilft, sind dank der fantasievollen Kostüme von Anika Klippstein eine Augenweide. Wenn auf dem Kopf der Muhme Rumpumpel Lichtblitze aufleuchten, der billige August (Milan Pesl/Thomas Wild) mit seinem quietschbunten Fahrradladen auftritt oder sich der Rock der traurigen Papierblumenverkäuferin (Beatrice Boca/Carolin Weber) in ein prächtiges Feld aus bunten Blumen verwandelt, dann kann man im Publikum Kinder mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen sehen.
Karola Schepp, 25.11.2016, Gießener Allgemeine Zeitung