Theatermacher Andreas Mihan kocht auf der taT-Studiobühne ein vergnügliches „Totenerweckungssüppchen“ für Kinder ab vier Jahren
Wer hätte das gedacht – auch das Gemüse hat seine geheimen Wünsche. Zumindest Karotte Ralf, der „mit den schönen Haaren“, und seine Freunde, der Lauch, der Sellerie und die Petersilie. Denn die wollen sich nicht von einem rabiaten Menschen mit Baseballkappe und Einkaufskorb zu einem Süppchen verhackstücken lassen, sondern lieber später einmal Baggerfahrer, Polizist oder Petersilieneisverkäuferin werden. So erzählt es Darsteller Andreas Mihan in seinem so amüsanten wie fantasievollen Stück „Ein Totenerweckungssüppchen“, dass sich an junge Theatergänger ab vier Jahren richtet und nun auf der taT-Studiobühne zu sehen ist.
Dabei beweist der gebürtige Berliner nicht nur ein ausgewiesenes Talent für die unterschiedlichen Dialekte und Akzente seiner imaginierten Figuren. Er braucht auch nur eine handvoll Objekte, um eine ganze kleine Welt auf der Bühne entstehen zu lassen. So hat das junge Publikum keine Schwierigkeiten, dem Dilemma der hanseatisch spitz sprechenden Karotte und ihrer mal sächsisch, mal berlinerisch, mal französisch-deutsch schwadronierenden Freunde zu folgen. Und auch als Erwachsener kann man hier staunen, wie schnell sich Mitgefühl mit einer zarten, sensiblen und ein wenig ängstlichen orangenen Rübe entwickeln lässt, wenn sie nur spricht und vorsichtig über den Bühnentisch hoppelt.
Objekttheater nennt Mihan, der in Gießen am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft studiert hat, sein selbst entwickeltes Programm, bei dem er allein von dem am Bühnenrand sitzenden Gitarristen Bastian Kaletta mit einigen schönen, sanften Instrumentalstücken und ein paar Geräuschen unterstützt wird. Zu diesen Objekten gehört auch ein Pflasterstein, den Ralf als alternative Essensquelle ausgemacht hat. „Es muss doch nicht immer Gemüse sein!“ Doch auch der schwere Wacker hat etwas dagegen, in irgendeinem fremden Magen zu landen. War er doch einst einmal „ein richtiges Gebirge“, bis ihn die Leute „abgelutscht haben wie ein Bonbon“. Dann also vielleicht Schokolade als Gemüseersatz? Auch keine gute Idee, wie Ralf von den direkt vor der Bühne sitzenden Kindern zugerufen wird. Denn die ist schließlich „ungesund!“, muss er sich belehren lassen.
Aber zum Glück trifft Ralf in diesem „Gemüsetheater über den Kreislauf des Lebens“, wie es im Untertitel heißt, irgendwann einen agilen, österreichischen Fahrradsattel und vor allem auf das zwar kopflose, aber dennoch selbstbewusste Suppenhuhn Esmeralda. Denn das dreht nicht nur alsbald ein paar elegante Flugrunden durch den Bühnenraum, sondern hat auch die Zauberformel parat, wie sich Ralfs zwischenzeitlich zerteilte Kumpels im kochenden Topf wieder zusammensetzen lassen. Und so geht die Sache nach rund 50 unterhaltsamen Minuten natürlich gut aus – ein echtes Süppchen im Theaterfoyer inklusive.
Björn Gauges, 02. November 2019, Gießener Anzeiger