Freunde von Bigband-Sound und Jazz sorgten für voll besetzte Reihen im Stadttheater: Der Musentempel bot am Donnerstag seine Bühne für eines der besten Ensembles des Formats. Die HR-Bigband, seit 2002 ein rege ausstrahlender Frankfurter Kulturleuchtturm ohne Elfenbein drumherum, tritt mit internationalen Größen ihres Fachs auf und bereichert die Musikszene auf Spitzenniveau mit attraktiven Programmen und vor allem mit pulsierend lebendiger Spielfreude. So war es auch an diesem Abend unter dem Motto "Meeting Colours" in einem Konzert, das am Tage darauf im Frankfurter Sendesaal noch einmal groß herauskam.
Im Zentrum stand der Gitarrist Philip Catherine, der mit Größen wie Chet Baker und Lou Bennett gearbeitet hat. Ein begnadeter Musiker, der seine "akustische" Grundlage auch hier nicht verleugnete und mit beeindruckender Kondition die Klangpalette seines Instruments bediente. Er ließ die Saiten mit Fingervirtuosität und interessantem Farbspektrum tanzen.
Catherine, mit seinen fast 77 Jahren schon selbst eine Legende, vielfach mit Preisen geehrt, vermittelte in den Spielpausen mit knappen Worten seine sympathisch humorvolle Einstellung zum Leben und ging am Schluss mit locker über die Hose schlabberndem Hemd, den Hut über dem weißen Haar schwenkend, wie ein Clochard aus Simenons Krimis von der Bühne.
Von den 17 Bandmitgliedern, von denen 15 in Gießen den Saal des Großen Hauses akustisch füllten, hatte fast jeder mehrfach solistische Aufgaben, die das Publikum zu Beifall hinrissen. Dass der berühmte Funke zwischen Hörern und Musikern immer präsent war, war hoch professionellem Einsatz, Improvisationskunst und locker-informativer Conférence zu danken.
Ausgewogenheit zwischen Spannung vorbereitenden Intros, spontan wirkender Variationsvielfalt, überraschenden Impulsen und physisch mitreißenden Blechsound wirkte stets neu belebt. Ganz vorne dabei der souverän und bescheiden auftretende Dirigent, Arrangeur, Komponist und Meister an Trompete und Flügelhorn, Bert Joris (62). Er ist wie Catherine Belgier, kommt auch von der Klassik her, wurde mehrfach als Solist preisgekrönt und lehrt an der Swiss Jazz School in Bern. Beide Musiker kamen früh zum Jazz und gehen häufig gemeinsame musikalische Wege. Ein Ergebnis ihrer Kooperation ist unter anderem das 2002 erschienene gemeinsame Album "Blue Prince".
Mit den zehn Stücken, Eigenkompositionen und Arrangements, gaben Joris, Catherine und die Saxes, Trumpets und Tubes - fast jeder mit beeindruckenden solistischen Passagen - zusammen mit dem herausragenden Hans Glawischnig am Bass und dem flexiblen Aktivposten am Schlagzeug, Jean Paul Höchstädter, ein Fest für die Ohren. Fokus auf "On the Ground" mit spitzen Trompetenakzenten, Walzertakt in "Letters from my Mother", "Piano Groove", das stimmungsvoll impressionische "Yellow Landscape" und das melodiöse "Happy Tears". Im zweiten Teil gefielen besonders "In a Sentimental Mood", eine eigenwillige Hommage an Duke Ellington. Abgerundet wurde das Programm mit "Hostage", "December 26th" und "Dance for Victor" in Erinnerung an den englischen Jazzmusiker V. Feldman.
Das überwiegend ältere Publikum ging in den gut zwei Stunden Ohrenschmaus begeistert mit, die Musiker dankten mit der lyrischen Zugabe "Broken Wing" (Chet Baker).
Dr. Olga Lappo-Danilewski, 14.10.2019, Gießener Allgemeine Zeitung