Über ihn gibt es unzählige Gedichte und Gesänge. Er hat Romantiker und Römer in den Bann gezogen. Doch warum ist es am Rhein so schön? Elke Heidenreich erzählt davon im Stadttheater.
Vater Rhein fließt durch sechs Länder Europas, hat 2000 Höhenmeter zu überwinden und ist 1230 Kilometer lang. Elke Heidenreich ist eine Frau der klaren Worte. Sie redet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern kommt rasch auf den Punkt. "Der Rhein ist so schön, weil wir es so haben wollen", stellt sie nüchtern nach ausgiebiger Vor-Ort-Recherche fest. "Denn er ist längst nicht mehr überall schön." Zusammen mit dem Fotografen Tom Krausz, mit dem sie schon etliche Reisen und manch ansprechendes Buch gemacht hat, hat die Autorin eine Rheinfahrt von der Quelle bis zur Mündung unternommen. Ein Wechselbad der Gefühle und Beobachtungen.
"Das Buch sagt auch sehr viel über mich", bekennt Heidenreich am Samstagabend in dem so "schönen, vollen Haus". Geboren wurde sie zwar in Essen, aber mit 15 zog sie zu einer Pflegefamilie nach Bonn. Ein erster heftiger Kuss am Ufer des Rheins bescherte ihr einen ausgerenkten Kiefer und die Freundschaft mit Hans-Heinrich, der später ein international anerkannter Orthopäde wurde. Seit über 30 Jahren wohnt die Literaturkritikerin, die einst erfrischend die ZDF-Sendung "Lesen" moderierte, nun schon in Köln - exakt 552 Schritte und 14 Stufen vom Rheinufer entfernt.
Heidenreich nimmt es mit Zahlen ganz genau, versteht es blendend, historische Ereignisse in anschauliche Geschichten zu verpacken. Dabei ist sie nicht nur eine vorzügliche Vorleserin - bei ihr kommt auch der Humor nicht zu kurz. Ob Sächsisch oder Kölsch: Immer wieder blitzt ihr Talent für Dialekte durch - sehr zur Freude des amüsierten Publikums, das mit spontanem Zwischenapplaus nicht spart.
Mit ihrem Lebens- und Bühnenpartner, dem Komponisten und Pianisten Marc-Aurel Floros, liefert sich die Frau mit dem flotten Mundwerk kleine verbale Neckereien. Ansonsten ist der Mann am Konzertflügel für den musikalischen Teil des unterhaltsamen Abends zuständig. Da darf das berühmte "Loreley-Lied" ebenso wenig fehlen - "sei tapfer, Aurel, da kommen wir jetzt nicht drumherum" -, wie die ersten 136 Takte der Wagner-Oper "Rheingold", von Floros eigens fürs Klavier arrangiert.
Geschliffene Sprache begeistert
Heidenreich hat die Stellen aus ihrem Werk "Alles fließt" dramaturgisch gut ausgewählt. Chronologisch erfahren wir, wie unberührt die Natur noch an den beiden Quellen des Flusses in Graubünden ist. Wie der Rhein ab Basel den Chemiefabriken als Müllkippe dient. Wie die Weintrinkerin bei langen Spaziergängen mit ihrem verstorbenen Freund, dem hessischen Mundartdichter Wolfgang Deichsel, den Rheingau kennen und schätzen gelernt hat. Wie sie auf ihrer Schifffahrt mit der MS "Rheinmelodie" von Basel nach Amsterdam den Niederrhein ganz besonders in ihr Herz schließt.
Das alles schildert Elke Heidenreich in einer geschliffenen Sprache, die ihre Leser einfach begeistern und mitreißen muss. Dementsprechend lang ist an diesem beglückenden Abend die Schlange am Büchertisch.
Marion Schwarzmann, 06.01.2020, Gießener Allgemeine Zeitung