Sascha Bendiks und Simon Höness mit originellen Rock-Variationen auf der taT-Studiobühne
Die Besucher der taT-Studiobühne landeten am Sonntag „In Teufels Küche“. Allerdings war das keine Qual, sondern eine höchst vergnügliche Angelegenheit. Sascha Bendiks und Simon Höness trugen schon zum zweiten Mal in Gießen zu ihrem Titelthema vor, und ihre virtuose Mischung verschiedenster Rock-, Pop- und nicht zuletzt Heavy-Metal-Musik machte vom ersten Moment an einen Riesenspaß.
Sanfter Einstieg
Gerüchten zufolge ist ja die Hölle die angenehmere Hälfte der Nachwelt, und wenn es dort so zugeht wie am Sonntagabend im taT, dann ist alles in Butter. Es soll Rock’n’Roll geben, kündigt Bendiks an, allerdings im Duo, und es sind ja auch nur ein Klavier, eine Gitarre und eine Mandoline auf der Bühne zu sehen. Also Kammermusik? Erstmal gibt’s ein Mandolinen-Intro, ganz sanft beginnt die Show damit im Dunkeln, Höness geht ans Klavier, Bendiks ans Mikro. Die Musik „geht direkt in den Bauch“, sagt er, ohne mit der Wimper zu zucken, „das ist intellektuell nicht greifbar“.
Macht gar nichts, denn der Strom verschiedenster Rocktitel, der jetzt ausbricht, ist so kraftvoll, dass jeder mitmuss. Kracher wie „Van Halens“ „Jump“ und „AC/DCs“ „Hells Bells“, die sonst im Soundgewitter ganzer Stadien explodieren, sind hier in einer fast kammermusikalischen Anmutung zu hören.
Und Bendiks, der auch die musikalische Leitung der wiederaufgelegten „Rio Reiser“-Produktion verantwortet, erweist sich als exzellenter Sänger. Sein Tenor ist ganz sauber, fast schon zu klinisch für Rock, und sein Gesang ist randvoll mit Gefühl. Zudem singt er ein perfektes Englisch. Auf der Mandoline – die elektrische Gitarre braucht er nur einmal an diesem Abend – liefert er eine gleichsam volumenmäßig verringerte Version der Musik, spielt aber zum Beispiel ein kompliziertes „AC/DC“-Solo präzise nach, fast schon ironisch.
Neben Bendiks glänzt Simon Höness am Klavier. Mit brillantem Klang (die Übertragung im taT ist hervorragend, klar und natürlich, auch das Licht professionell und sensibel) und mit einem beeindruckenden Einfallsreichtum liefert er die harmonischen Elemente, um dem Auftritt Körper und Ausdruck zu verleihen. Zudem agiert er als zweite Stimme, fügt manchmal eine Melodika hinzu und agiert als kongeniales Alter Ego. Seine genau kalkulierte komische Mimik setzt öfter mal einen köstlichen Akzent – auch er ist ein Schelm.
Sonst spielt er Modern Jazz, sagt Bendiks. Der wiederum nutzt auch ein Akkordeon und realisiert damit einerseits die neuere jazzige Verwendung des Instruments wie seine Fähigkeit, einfach wunderschöne Flächen einzufügen und subtil ein- und ausschwingen zu lassen; ganz zu schweigen von seinem exzellenten Harp-Spiel.
So lauscht man versunken den Hits der Vergangenheit („Hells Bells“, „Smoke On The Water“) und hört fasziniert, was die beiden daraus machen, praktisch einen Wiederaufbau mit anderen Mitteln.
Köstlich ist die vor Ironie triefende Version von „Baccaras“ „Yes Sir, I Can Boogie“, die zugleich analytisch vom schlagertauglichen Hygieneniveau auf ihre Rock‘n‘Roll-Basis zurückgeführt wird. Andere Titel werden in eine Polka transponiert oder was den beiden Musikern sonst noch so alles an stilistischen Ausflügen einfällt.
Dylan zum Finale
Grandios ist die Version des „Queen“-Hits „Bohemian Rhapsody“, den Bob Dylan „zwar geschrieben, aber nie aufgenommen oder öffentlich gespielt hat“, schäkert Bendiks, „wahrscheinlich, weil er viel zu viele Tonarten enthält.“ Und dann parodiert er die Folkrock-Ikone Dylan, detailliert und irrsinnig komisch. Das Ganze morpht zugleich in einige andere Titel hinein. Die beiden Gäste verdichten in Gießen die Musik gleichsam zu einer Gesamt-Rockdichtung. Wunderschön melancholisch gelingt auch „Tokio Hotels“ „Run, Run, Run“. Riesenbeifall, und als Zugabe noch eine tolle Fassung von „Metallicas“ „Nothing Else Matters“, friedvoll und leidenschaftlich. Ein ganz besonderer, innovativer Abend.
Heiner Schultz, 02.10.2018, Gießener Anzeiger