Und ewig lockt das Weib - Gießener Allgemeine Zeitung
17.02.2020

Es ist ein Damenabend auch für Herren. Sopranistin Karola Pavone und Pianistin Nadine Schuster machen im taT als musikkabarettistisches Duo ihrer Sehnsucht Luft.

Um frei nach Mozart zu beginnen: Dies Duo ist bezaubernd schön. Es musiziert auf höchstem Niveau. Und hat die Lacher auf seiner Seite. Unter dem Titel »Weibsbilder - (Selbst-)Porträts von Frauen mit schlechten Eigenschaften« präsentieren Sopranistin Karola Pavone und Pianistin Nadine Schuster im taT ihr »progressiv altmodisches Musikkabarett«, das oft nach gewitzter Operette aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts klingt und nach Emanzipation gleichermaßen - was ja ein Widerspruch in sich ist. Den Künstlerinnen gelingt dieser Spagat. Oder wie es Schuster formuliert: »Die Operette ist das gefallene Mädchen des Musiktheaters«, dem man wieder auf die Beine helfen will.

Pavone und ihre Pianistin haben den Abend dreigeteilt. Im Prolog, als die beiden sich mangels Garderobe auf der Bühne schminken müssen und das Publikum anfangs nicht bemerken, beklagt die versierte »Kampf-Soubrette« (Pavone über Pavone): »Heute ist mal wieder so ein Tag...« Schon fordert Tucholsky »Zieh dich aus, Petronella«, die Töne dazu stammen von Lied-Ikone Friedrich Hollaender. Die Sängerin tut wie ihr geheißen und verschwindet hinter einem Schrankkoffer. Überhaupt haben die Damen ihren Spaß am Verkleiden. Leicht derangiert geben sie sich, wenn es dem Humor dient. Mal ist die Brünette blond und die Blondine schwarzhaarig, mal wird ein Abendkleid vorgeführt oder der Prüderie ein Hut aufgesetzt.

Während sich Pavone hinter dem Schrankkoffer umzieht, wird Schuster von ihr mit dem Titel »Sie ist ein herrliches Weib« (Georg Kreisler) besungen. Ein Dialog entsteht, der zu einem Essay von Irmgard Keun gehört, dem »Selbstporträt einer Frau mit schlechten Eigenschaften«. Im Epilog darf Keun mit weiteren Auszügen daraus noch mal ran. Darin finden sich Sätze wie: »Zuweilen kann ich mich nicht leiden - wie einem das schon mal bei Menschen geht, mit denen man ununterbrochen zusammen sein muss.« Oder: »Am leichtesten lässt sich etwas dauerhaft lieben, wenn man nicht in Berührung damit kommt.« Gedacht wird auf der Bühne von Frauen. Die Musik dazu stammt weitgehend von den Herren der Schöpfung. Wie aufs Stichwort folgt im Prolog ein weiterer Hollaender (»Die Kleptomanin«), ehe das eigentliche Programm beginnt.

Die wichtigen Fragen werden erörtert: Worüber lacht die Mona Lisa? War die Loreley naturblond? Und warum sind Männer Schweine? Konkrete Antworten erfährt das Publikum während der charmanten bildungspolitischen Reise durch die Antike bis zur Moderne nur bedingt. Ein wenig fehlt der Premiere am Samstag der rote Faden.

Pavone zeigt eine Marathonleistung im sensitiven Singen und eindringlichen Quasseln, sie gibt die Ulknudel mit kesser Mimik und viel Sachverstand. Darüber hinaus verfügt sie über eine hervorragende Artikulation, ist jedoch in den Erzählpassagen manchmal eine Idee zu leise, während Schuster am Flügel variabel zu bezirzen weiß und solistisch mit einer Romanze von Clara Schumann glänzt. Zwischendurch wird von ihr viel angetastet, »Eine Insel mit zwei Bergen«, »Alle meine Entchen«, »Also sprach Zarathustra« sowie die »Ode an die Freude« mit eingesprungener Nationalhymne. Die Lieder reichen von Schubert über Hol- laender (»Circe«), Oscar Straus (»So wahr ich bin Cleopatra«), Nico Dostal (»Fata Morgana«), Ralph Benatzky (»Die Jungfrau von Orléans«) bis zu Gershwin, sobald es der Loreley ans Blondgelockte geht.

Als Epilog, wenn die Show vorüber ist und die Damen wieder in ihrer imaginären Garderobe sitzen, trumpft der österreichische Operettenkomponist Benatzky mit zwei weiteren Stücken auf: mit der »Meditation über den Rauch einer Zigarette« und dem »Glück bei Frauen«.

Am Ende jubelt das ausverkaufte Haus. Als Zugabe zaubern die Weibsbilder »Die kleine Sehnsucht« von Friedrich Hollaender liebenswert aus besagtem Hut.


Manfred Merz, 17.02.2020, Gießener Allgemeine Zeitung