Frech, weiblich, feministisch - Gießener Anzeiger
10.01.2022

Poetry-Slam ist modern, wild, eigenwillig ehrlich und manchmal auch feministisch, wie am Donnerstagabend in der taT-Studiobühne. Die Female Poetry Slam Power Show ist ein Format, das vor allem live und durch seine Protagonistinnen lebt.

Die »Female Poetry Slam Power Show« bot im taT viel weibliche Power, aber ohne Battle, der eigentlich fast immer zum Poetry-Slam dazugehört. Wobei Veronika Rieger, die auch mit sehr viel Witz durch den Abend führte, sofort erklärte, dass dies eine Show der FINTAs sei. »FINTA« steht für Frauen, Inter, Nicht-Binär, Trans, Agender, oder kürzer gesagt: alles was nicht männlich ist.

Ironische Selbsterkenntnisse

Mit von der Partie waren neben Veronika Rieger, die ebenso wie auch Birdy aus Berlin kam, auch Laura Paloma (Frankfurt) und Lea Weber (Karben). Höchst entspannt, locker kamen sie mit ihren Darbietungen daher und konnten jene Stücke vortragen, die ihnen einfach gut gefallen, ohne jeglichen Druck. Der Qualität der Texte und dem genauso professionellen Auftritt der vier Protagonistinnen tat das keinen Abbruch. Auch wenn es keinen klassischen Wettstreit zwischen den vier Protagonistinnen gab, so blieben sie den Rahmenbedingungen des Poetry-Slam treu: Nur eigene Texte, keine Requisiten und die einzelnen Darbietungen erhielten ihren Grad der Zustimmung durch die Heftigkeit des jeweiligen Applauses.

Die Texte der in der Szene gut bekannten Slamerinnen waren geprägt von persönlichen Einsichten, bissigen Bemerkungen zu vorpubertären Gruppen und hintergründigen Gedanken. Und natürlich schwang auch »Corona« bei vielen Texten kräftig mit. So entschuldigte sich Birdy vor ihrem Text »Der Nächste geht auf mich«, fast für diesen, da er die Situation in einer voll besetzten Bar beschrieb. Ein Umstand, der heute nach zwei Jahren Corona fast schon so weit weg und so undenkbar erscheint wie der liebevolle Text »Teletext« von Laura Paloma, eine Ode über das gute alte Telefon, das noch eine Schnur und eine Wählscheibe hatte. Neben ironischen Selbsterkenntnissen beeindruckte die Ernsthaftigkeit der kurzen, impulsiven und abwechslungsreichen Werke, wie der Text »Wir waren einmal« von Birdy, in dem es um das ernste Thema »Zwangsstörung« geht. Da war es mucksmäuschenstill im ganzen Raum und der wohlverdiente Applaus setzte nur zögerlich ein. Poetry-Slam vom feinsten, und nicht nur für weibliche Zuhörerinnen.


Barbara Czernek, 10.01.2022, Gießener Anzeiger