Getanzte Apfelgeschichten - Gießener Allgemeine Zeitung
12.02.2022

Der Jugendclub Tanz des Stadttheaters zeigt in der Studiobühne »Apples«. Zu sehen gibt es Apfelgeschichten aus diversen Zeiten und Kulturkreisen. Die Tänzerinnen und Tänzer erzählen auf augenzwinkernde Art von einem Obst, das es in sich hat.

Die letzte Produktion des Jugendclub Tanz hieß »Queens« und hatte im Januar 2020 Premiere, kurz vor dem Corona-Lockdown. Dann war eine längere Zwangspause mit zaghaften Zwischenproben. Bis zur Wiederaufnahme der Proben im Sommer 2021 hatten einige Mitglieder die Gruppe verlassen, acht neue sind dazu gekommen. Das Thema, das Tanzlehrerin Terrry Pedersen Pfeiffer diesmal gewählt hat, heißt »Apples«. Es ist tatsächlich überraschend, wenn man unter diesem Aspekt in unsere Kulturgeschichte schaut, wie oft der Apfel nicht nur mitspielt, sondern eine tragende Rolle hat.

Eine grundlegende Geschichte der westlichen Welt ist die Verlockung durch den Apfel im Paradies, der bekanntlich Eva erliegt. Dieser sogenannte Sündenfall prägte das Christentum, vor allem die Rolle der Frau. Doch so weit geht die Interpretation im Tanzstück nicht. Die Inszenierung bleibt in der Erzählung, schafft muntere Bilder zu stimmungsvollen Musikcollagen, die von Klassik bis Pop reichen. In dramatischen Passagen ist es Musik von Queen, da bleibt Terrry Pedersen Pfeiffer ihrem Stil treu. Die selbst geschneiderten Kostüme sind sparsam, geben mit wenigen Zutaten die Funktion der Figuren an. Auch wenn die sieben Zwerge bei Schneewittchen erst wie Nikoläuse anmuten.

»Apples« besteht im Wesentlichen aus wechselnden Gruppenszenen und das bei 18 Beteiligten auf der doch relativ kleinen Bühnenfläche. Und alle tanzen mit Mund-Nase-Schutz, was Respekt verdient. Allein die ständigen Kostümwechsel verlangen Disziplin. Noch erstaunlicher sind die abwechslungsreichen Gruppenchoreografien im neoklassischen Ballettstil. Mal tanzen sie in diagonalen, mal in bühnenparallelen Reihen, oder sie wechseln von amöbenhaftem Gewusel blitzschnell zu Ordnungsstrukturen. Besonders hübsch ist das letzte Stück mit den Regenschirmen, das auch noch ein wunderbares Schlussbild gibt.

Von der Antike bis Schneewittchen

Wer ist die Schönste im Land, diese Frage stellt sich nicht nur die böse Stiefmutter bei Schneewittchen, die Challenge gab es schon in der Antike, als Paris den Siegesapfel vergeben muss. Amüsant ist die getanzte Version zum Apfel-Schuss bei Wilhelm Tell, die zu Jodelmusik und im Dirndl präsentiert wird. Und dann ist da noch ein alter Mann, der vergeblich versucht sein Lieblingsobst, die Birne, unter die jungen Leute zu bringen. Fontane lässt grüßen.


Dagmar Klein, 12.02.2022, Gießener Allgemeine Zeitung