Nie mehr Rumba in Kalumba - Gießener Allgemeine Zeitung
12.07.2022

300 Abende haben sie in den vergangenen 20 Jahren im Stadttheater geschmachtet, was das Zeug hält. Und sich mit zehn Inszenierungen eine treue Fangemeinde ersungen. Nun ist mit dem Spielzeitende und dem Intendantenwechsel vorerst Schluss damit.

 

Sie waren »Frauenflüsterer« oder »Mannsbilder«, haben eine »Reise ins Glück« angetreten oder das »Spiel des Lebens« gespielt und dabei so manchen »Hit« gelandet. Sie standen wegen Mord a cappella »Unter Verdacht« und luden zur musikalischen Gruselkomödie ein. Nun ist zumindest am Stadttheater Gießen nach 20 Jahren, zehn Inszenierungen und rund 300 zum Schmachten schönen Theaterabenden Schluss. Das Gesangsquartett um Roland Furch, Severin Geissler, Martin Ludwig und Jan Hoffmann lud am Wochenende zum Abschied zum Schmachtigallen-Extra ein - mit einem Fest ihrer größten Hits aus 20 Jahren.

Die selbst ernannten »Sehnsuchtsprofis« haben das Schmachten zur eigenen Kunstgattung erhoben und zu ihrer ganz persönlichen Mission erkoren. Feinster A-cappella-Gesang, muntere Moderationen, kleine charmante Übergriffe auf das weibliche Publikum und natürlich alles, was die Stimmbänder vom höchsten Tenor bis zum tiefsten Bass so hergeben - die Schmachtigallen zeigten noch einmal, warum das Publikum sie liebt.

Fotos der vier Sänger aus deren jugendlicheren Jahren erscheinen im Hintergrund, wenn »Der kleine grüne Kaktus« sticht, die schöne »Isabella aus Kastilien« besungen wird, Zarah Leanders Klassiker »Nur nicht aus Liebe weinen« zum Herzerweichen schön erklingt oder Jan Hoffmann im Tom-Jones-Stil lasziv-verschämt seine »Sexbomb« besingt. Auch Zuschauerin Anja aus Rabenau, die ein Ständchen bekommt, dürfte der Abend in unvergesslicher Erinnerung bleiben. Und dass Zuschauerantworten spontan in Grönemeyers »Männer«-Song eingebunden werden, zeigt, dass die Schmachtigallen Schmachten und Grips durchaus verbinden. Sogar ein Verdi-Medley ist dabei. Die Tanzeinlage zu Robby Williams »Let me entertain you« zeigt, wo die wahren Stärken der vier Stimmakrobaten liegen. Die Bandbreite ist groß, reicht von »Onkel Bumba aus Kalumba tanzt nur Rumba« der Comedian Harmonists bis »Ein kleines bisschen Hass« der A-cappella-Ikonen Basta. Und die Band mit Andreas Sommer am Klavier, Stefan Schneider an Bass und Gitarre und Simon Zimbargo am Schlagzeug erweist sich dabei stets als verlässliche Begleitung.

Doch irgendwann endet auch das schönste Schmachten. Als am Ende nicht nur der »Gießen-Song« erklingt und die Schmachtigallen mit »In einem kühlen Grunde« noch einmal ihre Gesangsklasse demonstrieren, wird allen im Saal schmerzlich bewusst, dass es diesmal ein »Schmachtus interruptus« ist. Der Onkel aus Kalumba wird hier wohl nie wieder Rumba tanzen. Da bleibt nur Severins Bonmot als schwacher Trost: »Schmachten erfüllt sich im Sehnen - und nicht im Vollzug«.


Karola Schepp, 12.07.2022, Gießener Allgemeine Zeitung